Bauwelt 37.06
Verglichen mit dem westlichen Begriff des Opernhauses ist die Taichung Metropolitan Opera ein Ort der Kommunikation zwischen einer weit größeren Vielfalt an kulturellen Aktivitäten. Indem sich unser Entwurf von Anfang an sowohl mit dem westlichen als auch und besonders mit dem weiten Spektrum des östlichen Theaters auseinandersetzt, geht er weit über die traditionelle Oper hinaus: Das „Opernhaus“ wird zur offenen Struktur, die unzählige Begegnungen schafft zwischen Hoch- und Populärkultur, Künstlern und Besuchern, Innen und Außen.
Schon bevor man einen der drei Theatersäle betritt, erlebt man die Taichung Opera als „Hörraum“. Konventionen wie „Boden-Wand-Decke“ lösen sich in Hörgänge und -röhren, in denen sich kleine Geschäfte und Cafés, Workshops, Restaurants und Foyers zwischen und um die drei Säle winden. Das „Grand Theatre“ bietet Platz für etwa 2000 Zuschauer; das „Playhouse“ (800 Sitzplätze) lässt verschiedene theatralische Konfigurationen zu; die „Black Box“ ist für etwa 200 Sitze konzipiert und kann frei bespielt werden. Die den ganzen Entwurfsprozess durchziehende Fluidität unseres Projekts spiegelt nicht zuletzt das Verständnis wider, dass die theatralischen Künste immer auch räumliche Künste sind, in denen Körper, Kunst, Musik, Performance wieder und wieder miteinander in Dialog treten.
Das Grundstück ist Hauptteil eines rund sechs Hektar großen Parks in einem Stadtentwicklungsgebiet nördlich des alten Zentrums von Taichung, der mit gut einer Million Einwohnern drittgrößten Stadt Taiwans. In diesem Park ist unser Entwurf nicht isoliertes, begrenzendes Gebäude, sondern Fortsetzung des Netzwerks aus Grün und Wasser und den Bewegungen im Stadtraum. Während sich die Oper einerseits am Ende der grünen Achse gegenüber den neuen Stadtratsgebäuden befindet, hat sie doch keine „Hauptfassade“; vielmehr lädt sie von allen Seiten mit ihren Fassaden, die letztendlich Schnitte einer sich weiter ausdehnenden Struktur sind, die Passanten in ihr Inneres ein.
Die räumliche Komplexität beruht auf nur wenigen geometrischen Regeln, deren Einfachheit es ermöglicht, flexibel und gezielt auf verschiedenste Faktoren reagieren zu können. Als räumliches und tragwerkskonzeptionelles Modell diente eine zwischen zwei in ein homogenes Schachbrettraster unterteilten Flächen liegende Membran. Abwechselnd mit den Feldern des Schachbrettmusters verbunden, öffnen sich beim Auseinanderziehen dieser Flächen zwei kontinuierliche, nur durch die Membran getrennte Räume. Das diesen Prozessen zugrunde liegende Raster ist kein statisch starres Absolutum, sondern in der Lage, auf örtlich bestimmte Parameter einzugehen, ohne seine übergeordnete Integrität zu verlieren. Die Homogenität des ursprünglichen konzeptionellen Rasters löst sich nach und nach auf und entfaltet die räumliche und programmatische Vielfalt in sich ständig neu formierenden, im Fließen befindlichen Beziehungen.
Tokyo, 2006
Florian Busch